„Und was machst du damit mal? Taxi fahren?“, „Damit verdient man doch nichts!“,“Da kannst du auch direkt Hartz IV beantragen“, sind die typischen Reaktionen, die ich zu erwarten habe, wenn ich die Studiumsfrage mit „Germanistik“ beantworte. Wer sich für ein geisteswissenschaftliches Studium entscheidet, muss mit solchen dummen Sprüchen rechnen und vor allem eines: damit klar kommen. Das tue ich. Seit dem ersten Semester beantworte ich die Frage brav, um mir vorher schon in meinem Kopf den nächsten dummen Spruch dazu zu überlegen. Meistens folgt auf diese unheimlich geistreiche Aussage der Personen ein ausgiebiges Lachen. Aber ich lache mit. Und manchmal lache ich sie aus.
Die lieben Vorurteile
Befasst man sich ein bisschen intensiver mit dem Studium und den Berufsfeldern eines Germanisten, merkt man schnell: Wow, damit kann man ja wirklich etwas anfangen. Ja Leute, das ist jetzt ein Schock: Man kann. Ich habe das Gefühl, die Menschheit ist überfordert mit Studiengängen, deren Name nicht schon verrät, was man danach mal wird. Jurastudenten werden Anwälte. Medizinstudenten werden Mediziner. 1+1=2. Bloß nicht nachdenken oder sich mal informieren – lieber den Mund aufreißen und mit stolzer Brust die Unwissenheit in die Welt schreien, aber das ist ja nichts Neues.
Ich wusste eigentlich schon immer was ich werden wollte: Journalistin. Da für mich nie ein privates Studium in Frage kam, war schnell klar: Das wird auf dem normalen Weg nichts. Eigentlich gibt es für das Berufsfeld des Journalisten auch gar keinen „normalen“ oder „richtigen“ Weg, denn das Schreiben kann man oder eben nicht. Kein Studiengang der Welt kann dir das Gespür für Worte und die deutsche Sprache einpflanzen. Nicht umsonst gibt es so viele Quereinsteiger in dem Berufsfeld. Da es in Deutschland keinen staatlichen Studiengang unter dem Namen „Journalismus“ gibt, bleibt dir nichts anderes übrig, als dich mit ähnlichen Studiengängen zufrieden zu geben. Nachdem ich gemerkt habe, dass alle Studiengänge, die „irgendwas mit Medien“ behandeln, einen Abischnitt von 1,2 voraussetzen, brauchte ich einen neuen Plan. Warum also nicht Germanistik? Geschrieben habe ich schon immer gerne und Deutsch war mein liebster Leistungskurs in der Oberstufe.
Das Studium
Ich spreche jetzt nur für den Studiengang „Deutsche Sprache und Literatur“ an der Universität zu Köln, was für mich schlichtweg Germanistik ist. Das Studium ist gegliedert in drei Schwerpunkte: Ältere deutsche Literatur, Sprachwissenschaft und neuere deutsche Sprache. ÄDL vermittelt sprach-philologische Kenntnisse aber auch einen literaturhistorischen-texttheoretischen Bereich, sprich: Grundkenntnisse zum Aufbau der althochdeutschen Sprache aber auch Wissen über Autoren, Texte etc. (Das Nibelungenlied lässt grüßen). In Sprachwissenschaft geht es um Satzgrammatik, Wortgrammatik und Sprachgeschichte. Wer also ein Problem mit Syntax, Phonologie und und Semantik hat, sollte sich überlegen, ob Germanistik das richtige Studium ist. Nun kommen wir zum Modul, das mir immer am meisten Spaß gemacht hat: NDL. Dort werden Literatur- und Medientheorien und Grundkenntnisse in Gattungsformen, Epochen und Werken vermittelt. Eigentlich das, was man in Deutsch in der Oberstufe gemacht hat: Bücher lesen, Texte interpretieren und Autoren besprechen.
Generell ist der Aufbau des Studiums sinnvoll, wenn auch nicht jedes Modul dem entspricht, was man sich als unwissender Student im ersten Semester vorstellt. Zum Glück kann man sich nach dem Beenden der Basismodule für zwei Aufbaumodule entscheiden und somit einen der drei Bereichen für immer aus dem Stundenplan verbannen. Und sich dann in dem letzten Modul, dem Schwerpunktmodul, genau dem Bereich zu widmen, den man am Besten kann.
An der Uni zu Köln ist es leider so, dass du dein Studium komplett alleine organisierst. Das ist nicht für jeden was. Man sollte kein Problem damit haben, sein Studium alleine auf die Beine zu stellen und selbstständig zu lernen. Du gehst nicht ins Seminar? Du schreibst die Klausur nicht mit? Du weißt nicht was du da überhaupt fabrizierst? Tja, das interessiert in erster Linie niemanden. Wenn ich etwas aus dem Studium mitnehme, dann noch mehr Selbstständigkeit, als ich sie sowieso schon hatte. Je größer die Uni, desto weniger bist du von Bedeutung. Das musste ich lernen und das ist auch etwas, was ich euch mitgeben möchte. Sucht euch eine kleinere und vor allem organisierte Uni aus. Wenn ich einen Master mache, dann definitiv an einer kleineren Uni, die etwas von Organisation versteht.
Wer sich für ein Germanistikstudium entscheidet, sollte kein Problem mit Hausarbeiten haben. Die Klausuren, die ich in Germanistik geschrieben habe, kann ich an einer Hand abzählen. Irgendwo auch sinnvoll in einem sprachlichen Studium Hausarbeiten zu schreiben und sich mit wissenschaftlichen Texten auseinander zu setzen. Trotzdem wäre ich manchmal froh drum, eine Klausur zu schreiben und nicht wochenlang an einer Hausarbeit zu sitzen. Oder an drei auf einmal.
Die Jobaussichten
Ich bin weder das Arbeitsamt, noch eine kompetente Studienberaterin. Trotzdem behaupte ich, ein wenig Ahnung zu haben. Bevor ich mein Studium angefangen habe, habe ich mich eingehend in die Materie eingearbeitet und in diesem Semester stand eine Vorlesung auf dem Plan, die „Germanistik und Berufe“ hieß. Jede Woche stellte sich ein Arbeiter aus einem anderen Bereich vor. Alle haben Germanistik oder ein vergleichbares Studium absolviert. Auch wenn es die wenigsten ahnen: Germanisten können in einem breiten Spektrum arbeiten. Wer im Literaturbetrieb arbeiten möchte kann sich als Autor, Lektor oder Verleger versuchen. Im Bildungsbereich als Professor, Dozent oder Lehrer (allerdings ist das Germanistiksstudium auf Lehramt anders aufgebaut. Ich kann kein Lehrer werden, da mit der sozialpädagogische Aspekt fehlt). Kunst und Kultur ist ebenfalls ein sehr breiter und abwechslungsreicher Bereich: Museen, Galerist, Kulturorganisationen, Theater und und und. Der letzte und für mich relevanteste Bereich: die Medien. Von Werbung und PR über den klassischen Journalismus bis hin zum Pressesprecher oder Filmproduzent. Es ist wirklich unheimlich schade, wie sehr die Geisteswissenschaften und Germanistik unterschätzt werden, wo sie doch so vielfältig sind.
Madamecherie says
Hach das kenne ich noch habe auch Germanistik studiert und wollte auch erst Journalistin werden. Habe mich dann letztendlich fürs Marketing entschieden, weil man als Journalist halt wenig verdient und es auch schwer ist einen Platz als festen Mitarbeiter zu finden in meiner Freizeit schreibe ich noch als freie Mitarbeiterin und blogge
LG Nina
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maedchenhaft says
Mittlerweile will ich auch viel lieber in die PR-Richtung gehen 🙂
View CommentBirte says
Liebe Jana,
Habe auch Germanistik studiert und den Studiengang geliebt. War genau meins. Doofe Kommentare gabs da auch immer mal wieder.
Leider muss ich allerdings sagen, dass ich im Nachhinein nicht so zufrieden bin mit der Jobauswahl. Was bei uns in München definitiv gefehlt hat, waren die Praktika. von diesen habe ich privat ein paar gemacht, aber doch zu wenige.
Ich musste also nach dem Abschluss erstmal noch andere Qualifikationen sammeln. PR Richtung hat leider gar nicht so easy funktioniert bei mir wie ich gedacht hatte.
Wünsche Dir alles Gute 🙂
Birte
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maedchenhaft says
Danke für deine Meinung. Ja ist wirklich so, dass man so viele Erfahrungen sammeln muss um richtig Fuß fassen zu können. Bei mir ist der Blog da wirklich unheimlich hilfreich und öffnet viele Türen. Deshalb bin ich auch recht positiv eingestellt was das angeht 🙂 Dir auch alles Liebe!
View CommentLisa says
Ein toller Beitrag 🙂 Ich selbst habe meinen Bachelor in Mannheim gemacht, in Medien- und Kommunikationswissenschaften mit dem Beifach Germanistik. Ich finde es auch schade, dass dem Studiengang (und allgemein allen Geisteswissenschaften) so wenig Wertschätzung entgegen gebracht wird. Ich bin mir sicher, dass ich meinen Weg nicht trotz, sondern wegen meines geisteswissenschaftlichen Studiums finden werde – und bei dir bezweifel ich das auch keine Sekunde 🙂
View CommentIch bin nur froh, dass meine Eltern mich in meiner Wahl unterstützen. Eine Freundin von mir hätte gerne auch ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert – doch ihre Eltern waren dagegen. Inzwischen kämpft sie sich seit fast 6 Jahren durch ein Jura-Studium…
Viele Grüße
Lisa
maedchenhaft says
Danke dir! Ich sehe das genau so wie du! Das regt mich auch teilweise echt auf, weil das so interessante Studiengänge sind. Bin mir auch sicher, dass du deinen Weg gehen wirst 🙂 Das mit deiner Freundin tut mir unheimlich leid. Solche Eltern sind echt der Horror. Meine Eltern hätten mich bei jedem Berufswunsch unterstützt – Hauptsache es macht mir Spaß und es ist das, was ich will. Da können wir wirklich froh sein!
View CommentJanina says
Bloß nicht aufregen und entspannt drüber lächeln ;)!
Ich habe ebenfalls meinen Masterabschluss in Germanistik und habe während des Studiums jeden blöden Spruch dazu gehört, den es nur gibt. Ich wusste, ich möchte in den Bereich Redaktion/PR und habe mich darauf spezialisiert. Praktika in Verlagen, in Presseagenturen, in Redaktionen und nebenbei selbstständig als Texterin gearbeitet. Zugegeben, mein Studium war oft zweitrangig.
Die Kehrseite: Viele meiner Kommilitonen haben ihre komplette Energie nur ins Studium gesteckt, einen 1,..-Abschluss gemacht und sind nun leider unvermittelbar. Denn ein breites Feld an Möglichkeiten ist zwar gut und schön, doch wenn du alles nur so ein bisschen kannst, dann ist man für den Arbeitsmarkt eigentlich nicht zu gebrauchen.
Zum Ende des Studiums habe ich ungefähr 50 Bewerbungen verschickt, hatte 8 Vorstellungsgespräche und 3 Zusagen, für eine Redaktion hatte ich mich entschieden. Inzwischen arbeite in in einer Marketingagentur und bin damit absolut zufrieden. Ich habe mein Studium geliebt aber kann nur jedem dringend empfehlen, sich auf etwas zu spezialisieren und in der Richtung neben dem Studium zu arbeiten. Die Noten im Studium interessieren den Arbeitgeber nicht, sondern nur das, was du kannst. Übrigens kommt bloggen bei Online-Marketern sehr gut an 😉
Viele Grüße
Janina
View Commentmaedchenhaft says
Ja, generell ist es ja wirklich unheimlich wichtig genug Praxiserfahrungen zu sammeln. Das tue ich auch und werde ich vor allem auch nach meinem Bachelor noch tun. Ich muss auch wirklich sagen, dass mir durch das Bloggen so einiges in den Schoß fällt und das seeehr gerne gesehen wird in Agenturen und bei Verlagen. Deshalb mach ich mir auch keine Gedanken, dass ich da mal später Probleme bekommen sollte 🙂
View CommentLiebe Grüße!
Milli says
Du sprichst mir so aus der Seele! Obwohl ich einen Studiengang Belege der BWL enthält “darf” ich all diese Fragen auch immer beantworten und sie gehen mir übelst auf den Senkel. Also Danke für deinen Beitrag, der hoffentlich ein paar Menschen zum nachdenken bewegt bevor sie über ein Studium urteilen, das sie gar nicht wirklich kennen.
Viele liebe Grüße, Milli
View Comment(http://www.millilovesfashion.de)
Julia says
Ach die liebe Sache mit den Geisteswissenschaften. Ich beende gerade mein Studium “Populäre Musik und Medien” und wie oft hab ich die Sprüche, die du ansprichst, schon gehört…. Aber ich bin froh, dass ich wenigstens das studiert habe was ich wollte und was mir Spaß gemacht hat und nicht aus reinen Profitgründen einen anderen Bereich gewählt habe.
View CommentIch habe das Studium auch angefangen, weil ich mir keine Privatuni leisten kann und den Umweg zu meinem Wunschbereich Eventmanagement nehmen musste. Ob das jetzt so reibungslos klappt wie man es sich vorstellt, werde ich wohl in den kommenden Monaten sehen. 🙂
maedchenhaft says
Da drücke ich dir die Daumen! 🙂
View CommentJessica says
Das mit dem Studium kenne ich auch. Ich studiere Geologie und im ersten Moment denken die Menschen “Oh, Naturwissenschaft” und im zweiten “Aber was wird man damit?” Meine Antwort ist immer, dass man mit einem Geologiestudium Geologe wird… Die Hälfte der Menschen finden das dann lustig, die andere ist sauer, dass sie keine hilfreiche Antwort bekommen haben. Sorry, aber man wird dann nun mal Geologe. Hab halt auch keine Lust mehr auf diese Fragen.
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