„Aber er ist eigentlich gar nicht mein Typ…“, schreibt mir eine Freundin nachdem ich sie dazu aufgefordert habe, den Typen bei Facebook anzufragen, den wir am Tag zuvor beim Feiern kennengelernt haben. Sie haben sich sichtlich gut verstanden und gemeinsam getanzt. „Also ich finde er sieht gut aus!“ muntere ich sie auf. „Ja schon, der Bart war auch gut aber er hatte halt rote Haare…“. In dem Moment denke ich mir: Wow, wie oberflächlich und dann halte ich kurz inne und merke, dass ich jahrelang auch so war und auch stellenweise immer noch so bin. Ich war immer auf der Suche nach dem Besten, der Perfektion. Sei es in Liebesangelegenheiten aber auch in anderen, alltäglichen Situationen. Generell ist ein Hang zum Perfektionismus nichts schlechtes, ganz im Gegenteil – der Perfektionismus kann dir aber auch ungewollt dein Leben schwer machen.
In Sachen Männer war ich lange Zeit genau so unterwegs: Oberflächlich. Dabei spielte nicht mal das Aussehen primär die wichtigste Rolle, sondern sein Auftreten, Verhalten etc. Ich konnte an jedem Typen den ich kennenlernte, einen Fehler finden und wenn es nur die Art war wie er redete oder welches Parfum er benutzte. Wow, ist die oberflächlich denkt ihr euch bestimmt jetzt – Ja, ich bin oberflächlich. Jeder Mensch ist in irgendeiner Weise oberflächlich. Das Wichtige dabei ist nur, das auch einzusehen und dem Entgegenzuwirken. Je älter man wird desto mehr schwinden auch die unheimlichen Ansprüche, die man sowohl an sich selbst als auch an den zukünftigen Partner stellt. Ich habe gelernt nicht mehr akribisch genau darauf zu achten, ob ein potentieller Kandidat Rechtschreibfehler macht und ich werde immer besser darin, aus meinem typischen Beuteschema auszubrechen (hallo ihr Orlando Blooms dieser Welt) und über meinen eigenen Tellerrand zu schauen. Was für andere Menschen selbstverständlich ist – und auch sein sollte – war es für mich nicht. Ich war immer auf der Suche nach DEM perfekten Menschen, dabei hatte ich nicht mal ein gewisses Bild im Kopf. Ich konnte trotzdem direkt kategorisch ausschließen wen ich kennen lernen wollte und wen nicht und das meistens schon bevor ich ein Wort mit demjenigen gewechselt habe. Das war mehr als anstrengend und wie oft ich somit verpasst habe einen tollen Menschen und vielleicht sogar die Liebe meines Lebens kennenzulernen – who knows.
Perfektion im Anderen suchen, ohne selbst perfekt zu sein?
Ja, das habe ich getan. Ich weiß selbst, dass ich nicht perfekt bin – wie langweilig wäre das auch. Ich habe auch nie nach dem perfekten Mann gesucht, sondern nach dem perfekten Mann für mich. Wo meine Schulfreundinnen ihre Freunde im Minutentakt gewechselt haben, sah ich keinen Sinn und konnte nur den Kopf schütteln. Niemals hätte ich damals irgendjemanden genommen, nur um mit 14 auch einen Freund zu haben. Aber irgendwann habe ich bei der Suche den Blick fürs Wesentliche verloren. Oft genug konnte ich mir von meiner Mutter anhören „Du musst mal von deinem hohen Ross runterkommen“ oder „Schraub‘ deine Ansprüche runter“ – aber ganz ehrlich, wozu? Damit ich den Nächstbesten nehme, nur damit ich nicht alleine bin? Ich bin sehr gerne alleine, ich kann alleine sein und liebe es. Das ist sehr selten in unserer heutigen Zeit, deshalb kam das für mich niemals in Frage. Ich habe meine Ansprüche nicht runtergeschraubt, sondern einfach nur verändert. Und das ist der springende Punkt. Niemand sollte sich mit etwas zufrieden geben was unter seinen Ansprüchen liegt – Ansprüche sind gut, sie geben eine gewisse Richtung vor und selektieren aus, allerdings sollten sie nicht das Leben dominieren und Überhand gewinnen. Und manchmal sollte man auch gut und gerne mal darüber hinwegsehen!
Ich habe aufgehört nach jemandem zu suchen der ist wie Seth Cohen aus O.C.,California oder die Männer aus den Frauenromanen – alleine schon, weil ich selbst auch nicht perfekt bin und mir dessen auch bewusst bin. Jeder Mensch verdient das Beste, nur ist das Beste nicht immer direkt sichtbar oder an einer bestimmten Eigenschaft auszumachen. Natürlich ist es wunderbar wenn er aussieht wie Bradley Cooper, aber was bringt mir das schon, wenn er langweilig ist oder dumm wie Brot? Ich habe gelernt nicht mehr auf Kleinigkeiten zu achten und das solltet ihr auch. Nicht nur beim Traummann sondern vor allem auch bei euch selbst. Je älter ihr werdet, desto stärker verändern sich eure Prioritäten und darüber bin ich so unendlich froh. Es ist immer gut nach dem zu streben, was das Beste für einen selbst zu sein scheint, man darf dabei aber nicht blind werden und seine Augen vor Gelegenheiten verschließen, die vielleicht euer Leben verändern. Wie bescheuert ist es denn auch, sich selbst Steine in den Weg zu legen?
Diana says
zu mir meinte letztens jemand sehr kluges, dass nichts an Oberflächlichkeit schlecht sei. Eine Oberfläche impliziert ja, dass etwas darunter liegt. Das fand ich irgendwie schön (:
View Commentmaedchenhaft says
Haha, das ist wirklich mal eine ganz andere Sichtweise! 🙂
View CommentLiz says
“Ich habe meine Ansprüche nicht runtergeschraubt, sondern einfach nur verändert.” SO GOD DAMN TRUE
den text hätte ich verfassen können. wirklich schöner post. mehr davon!
View Commentmaedchenhaft says
Vielen Dank <3 freut mich, dass das so gut bei dir ankommt 🙂
View CommentPure Joy Of Life says
Interessanter Beitrag. Das kenn ich zu gut! Ich war auch schon immer sehr wählerisch. Habe es auch mal versucht, obwohl ich dachte eher nicht. Aber da hab ich gemerkt, man sollte seine Ansprüche nicht ganz ignorieren. Es funktionierte nämlich nicht. Jetzt bin ich seit über 2 Jahren in einer Beziehung und auch wenn mein Freund manche Macken hat, bin ich glücklich darüber in einer Beziehung mit ihm zu sein. 🙂 Weil niemand ist perfekt, auch ich nicht. Also bist du auf einem sehr guten Weg! Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg dabei. 🙂
Liebste Grüße
View CommentSylwie von http://www.purejoyoflife.blogspot.de
maedchenhaft says
Das ist gut, dass man auch sieht, es geht auch anders 🙂 WÜnsche uch nur das Beste <3
View CommentSabrina says
Ein sehr gelungener Text und so wahr…
View Commentnilooorac says
Super guter Text, ich kann das total nachvollziehen. Bei mir war das auch ganz lange so, dass ich unrealistische Ansprüche hatte. Man muss eben aktzeptieren, dass jeder Mensch ein paar Macken hat – mit manchen kann man wahrscheinlich lernen klar zu kommen, andere bleiben ein absolutes no go 🙂
Liebe Grüße
http://nilooorac.com/
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