Ein heißer Tag im Juli 2015. Hannah und ich auf der Suche nach einer kühlen Fanta und mehr noch nach einem kleinen Plätzchen am Wasser. Siedende Hitze liegt über der Stadt, gefühlte 45° im Schatten und in der Straßenbahn mindestens 65° inklusive schwitzende Menschen. Sehr angenehm. Der erste Moment, in dem mir so richtig klar wurde, dass der Sommer in der Großstadt doch nicht immer so toll ist. Und trotzdem ist er mir in Erinnerung geblieben.
Ein Abend im Juni 2016. Vortrinken bei mir – wie so oft. Bereit für den Club. Und dann doch irgendwie bei McDonalds und auf den Bänken am Rudi gechillt. Ein, zwei Bier im Büdchen geholt und mit Fremden den Abend verbracht. Wie so oft. Köln eben. So lange reden, bis die Vögel wieder singen.
Wenn ich mir Zeit nehme und mich zurückerinnere, fallen mir tausende kleine Momente ein. Kleine Mosaikteilchen, die mir ein warmes und wohliges Gefühl bereiten. Zusammengesetzt ein Zuhause ergeben. Vier Jahre mein Zuhause, irgendwie auch Heimat. Kann man mehr als eine Heimat haben? Ich glaube schon.
Einer meiner letzten Tage in Köln, Frühjahr 2018. Hannah und ich in ihrem Auto sitzend vor meiner Wohnung. Mitten in der Innenstadt. Einer der einprägsamsten Tage überhaupt. Den ganzen Tag auf dem Flohmarkt Klamotten verkauft, am Ende nur noch genervt von allem und jedem. Mit dem Auto an die nächste Altkleidersammlung gefahren, bei strömendem Regen die restlichen Klamotten in den Container geworfen. Den Wäschekorb hinterher. Zurück ins Auto gesprintet und den Kofferraum zugeknallt. Kofferraum irgendwie kaputt gemacht und mit halb offenem Kofferraum durch die ganze Stadt geschlichen. Kurz bei Vapiano gestoppt, Pizza und Pasta geholt und im Auto auf den ADAC Mann gewartet, der uns ein bisschen ausgelacht und mit einem Griff den Kofferraum wieder repariert hatte. Scheiß Tag, aber irgendwie auch nicht. Irgendwie auch unfassbar witzig. Bis in die Nacht im Auto gechillt und überlegt, wo wir mit unseren Leben hinwollen. Entscheidungen bereut, die noch gar nicht richtig eingetroffen sind. Eine letzte Runde durch die Stadt fahren. Ein kleiner Abschied von vielen.
“Aber warum willst du eigentlich weg?” fragt Hannah. Ja, warum eigentlich? Das frage ich mich zu dem Zeitpunkt auch. Wir gehen beide weg und wollen es im Endeffekt doch gar nicht. Die Monate davor konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen. Nochmal wegziehen, nochmal eine Großstadt, nochmal ganz neu anfangen. Einfach flüchten. Wovor? Keine Ahnung.
Aber warum denn eigentlich?
Warum keine Wurzeln schlagen, in einer Stadt, die man so sehr liebt? In der man sich immer heimisch gefühlt hat, die einem von Anfang an genau das gegeben hat, wonach andere ihr Leben lang suchen: Das Gefühl angekommen zu sein. Warum immer mehr haben wollen? Und gibt’s da überhaupt noch mehr?
Ich hatte mir damals lange genug eingeredet, dass ich mehr will, dass ich mich nochmal herausfordern will. Größer, besser, weiter. Um es mir zu beweisen. Am Liebsten noch weiter weg von der Heimat. Deutschland hat viele schöne Städte, wieso also nicht? Machte Sinn. Irgendwie. Bis ich an dem Abend mit ihr im Auto saß und ehrlich darüber nachdachte. Und mir endlich eingestehen konnte, dass ich doch eigentlich ziemlich glücklich bin. Und keine Veränderung brauche. Dass ich vielleicht doch bereit bin Wurzeln zu schlagen. Die Einsicht kommt immer. Aber manchmal auch einfach zu spät.
Alena says
Wunderschöner Beitrag! Ich finde es toll, dass du scheinbar deinen Wohlfühlort gefunden hast – habe ich auch jetzt und das tut einfach gut! Aber manchmal verändert sich das auch und ich bin, wie du glaube ich auch, ein Mensch, der immer mal wieder was Neues braucht, Veränderung irgendwie. Und ich kenne dieses Gefühl sich nicht wirklich festlegen zu wollen, weil die Welt doch so viel zu bieten hat, man Angst hat was zu verpassen. Aber ich bin sicher du findest deinen Weg, deinen Ort! Und manchmal passiert das wenn man einfach nicht mehr danach sucht…
Ich wünsche dir eine schöne Woche!
Liebst,
View CommentAlena
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freeaylindom says
Schön geschrieben. Und darum geht es im Leben – ausprobieren, entdecken, herausfinden, was man wirklich will und irgendwann ankommen. Jede Erfahrung ist Gold wert.
View CommentRuth says
Wow, eine der besten Kolumnen, die ich seit langem gelesen habe. Du hast wirklich einen guten Schreibstil, da solltest du unbedingt etwas draus machen! Ich habe meine Wurzeln definitiv in Köln geschlagen, jedenfalls zur Zeit. Damit will ich nicht per se ausschließen, nicht irgendwann doch einmal woanders wohnen zu wollen, aber vorstellen kann ich mir das aktuell einfach nicht. Wo gibt es denn eigentlich dieses verdammt coole T-Shirt?
View CommentLiebe Grüße
Ruth