WhatsApp macht uns das Leben und vor allem die Kommunikation leichter. Es gibt uns die Chance, jene zu sein, die wir nicht sind. Die wir nur ein bisschen sind und eher weniger als mehr. Wir sind dort die, die wir gerne wären. Der schüchtere Mann wird mit ein paar Worten zum Aufreißer und das unschuldige Mauerblümchen zur Femme Fatale. Das ist nicht schlimm. Naja eigentlich schon. Und traurig. Aber vor allem ist es eines: einfach. Man muss mit dem Gegenüber nicht reden. Nicht wirklich jedenfalls. Keinen Blickkontakt halten. Man kann so lange nicht antworten, bis uns endlich etwas Schlagfertiges eingefallen ist. Wir schreiben dann zurück, wenn wir Lust haben. Kann auch sein, dass wir es einfach vergessen oder sogar absichtlich vergessen. Beenden das Gespräch ohne Rücksicht auf Verluste. Wo wir uns in richtigen Gesprächen – Face-to-Face – erklären müssten, antworten wir bei WhatsApp einfach nicht mehr. Es ist so einfach.
Wenn meine Mutter mich nach meinem Studium fragt, kann ich ihr über WhatsApp ein schnelles „Alles gut!“ mit grinsendem Smiley schicken. Thema erledigt. Ob wirklich alles gut ist, kann sie nicht wissen, da sie mit ihrem „Mütter-riechen-jedes-Problem“-Blick hunderte Kilometer entfernt ist und darauf vertrauen muss, dass ich ihr die Wahrheit erzähle. WhatsApp ersetzt Telefonate. Und richtige Gespräche. Nicht immer, aber viel zu oft.
WhatsApp ist dazu da, uns das Leben zu erleichtern. Und das tut es. WhatsApp macht es uns so leicht. Leicht, zu lügen. Leicht, uns und anderen etwas vorzuspielen. Leicht, seinen Freund oder Freundin zu betrügen. Leicht, Kontakte einfach so aus dem Leben zu streichen. Wir können unangenehmen Gesprächen so einfach aus dem Weg gehen, wie noch nie zuvor. Gestreitet wird über WhatsApp. Und wie. Es werden Worte geschrieben, die wir uns niemals jemandem ins Gesicht sagen würden. Und gelästert. Ohne Ende. Das Tuscheln auf dem Pausenhof wird zu einem lautstarken Gruppen-Gespräch auf WhatsApp. Geschrieben geht das alles ja auch viel einfacher. Wie automatisch. Auf WhatsApp sind wir groß und stark. Unbesiegbar.
So lange wir die Worte nicht laut aussprechen müssen.
Wir finden Gefallen an Menschen, die wir durchs Schreiben kennenlernen. Oder zumindest an der Vorstellung von ihnen. Wochenlang schreibt man über WhatsApp und lernt sich kennen. Denkt man jedenfalls. Und wenn sie plötzlich vor einem stehen, fragen wir uns, ob man es mit zwei verschiedenen Menschen zu tun hat. Bei WhatsApp haben wir alle eine große Klappe und bekommen den Mund nicht voll. Jenseits des Chats verschwinden plötzlich diese unnahbare Coolness und Schlagfertigkeit, die uns im Chat stets vermittelt wurden. Und alles platzt. Wie eine Seifenblase. In einem richtigen Gespräch können wir nicht einfach offline gehen. Und dann antworten, wenn es uns vielleicht in den Kram passt. Wir können keine Smileys verschicken, um das Gespräch aufrecht zu halten. Ghosting gibt es erst seit dem Zeitalter von WhatsApp. Niemals war es leichter, jemanden loszuwerden. Einfach nicht mehr antworten. Oder einfach blockieren – noch besser. Ja, es ist einfach.
Wieso können wir nicht mehr unseren Mann oder unsere Frau stehen? Wir müssen Eier haben. Uns trauen, auch außerhalb von WhatsApp den Mund aufzumachen. Und so sein, wie wir wirklich sind. Gespräche zu schätzen wissen, bei denen man stundenlang bei Wein und Kerzenschein in der Studentenküche sitzt. Mit uns zufrieden sein. Egal wie wir sind. Wir sollten uns so verkaufen, wie wir sind. Warum auch nicht? Wozu sich besser darstellen, als man eigentlich ist. Wozu cooler, sexier, unnahbarer sein. Erst nachdenken, bevor wir online die Klappe aufreißen.
feli says
Du hast so Recht 🙂 Ich finde es auch krass, was für eine Rolle WhatsApp in unserem Leben eingenommen hat. Als ich Abi gemacht habe, hatten erst die Wenigsten WhatsApp 🙂 liebe grüße, feli von http://www.felinipralini.de
View CommentAnnika says
Wunderschöner Beitrag! Ich muss sagen, dass ich mich nach und nach immer mehr in deinen Blog verliebe ! Haha.
Liebste Grüße aus Köln! :)))
View Comment